Wohin gehst du, Gehfußball?

SO Freunde, jetzt folgt nicht das Wort zum Sonntag, aber es ist schon nah dran. Also geht mal inne und lasst es auf euch wirken, kann nicht schaden😉.

Ein Kommentar von Bernd Werdin
– Spieler und Schiedsrichter beim Gehfußball –

 Im Sommer 2023 habe ich an einem Schnupperkurs „Gehfußball“ beim TBD Speldorf teilgenommen. Ich war so begeistert, dass ich seitdem aktiver Spieler bin und schon an mehreren Spielen und Turnieren teilgenommen habe. Außerdem bin ich Mitglied beim TBD Speldorf – einem supertollen Verein. Wer hier „Hochglanz“ sucht, ist fehl am Platz; wer Menschlichkeit mit dem Charme des Ruhrgebiets sucht, ist beim TBD genau richtig.

Im September 2024 habe ich meine Ausbildung zum Schiedsrichter beim Gehfußball abgeschlossen. Da ich auch beim „normalen“ Fußball nie als Schiedsrichter fungiert habe, habe ich nun absolutes Neuland betreten. Zwei Gehfußball-Einsätze gab es bereits. Zunächst habe ich bei einem Miniturnier des VfL Bochum gepfiffen, der mich anschließend zu meiner großen Freude in seine Schiri-Datei aufgenommen hat. Den zweiten Einsatz gab es beim Hallenturnier in Rheinberg. Ich versuche, meinen Weg als Schiedsrichter zu finden. Dabei spielen Aspekte wie Respekt, Kollegialität mit den Mannschaften (wenn möglich), Ausübung von Ermessen und leider auch Fehlentscheidungen eine Rolle. Zweimal gepfiffen, zweimal Erfahrungen gesammelt, das wird schon …

Der Gehfußball ist eine sehr faszinierende Variante des Fußballs. Sie steht für schonenden Fußball, Umsicht, Diversität und Integration. Die Teams können sich aus Frauen und Männern und natürlich auch aus Menschen mit anderen Identitäten sowie aus Menschen mit Behinderungen zusammensetzen. Wenn der „normale“ Fußball nicht mehr geht, geht in sehr vielen Fällen immer noch der Gehfußball.

Im vergangenen Jahr hat der Fußballverband Niederrhein anlässlich der EM 2024 ein Gehfußballturnier auf dem Burgplatz in Düsseldorf (Fanmeile) ausgerichtet, an dem ich als „Leihspieler“ für den SV Wanheim teilgenommen habe. Hier wurden die Internationalität und die völkerverbindende Kraft des (Geh-)Fußballs in beeindruckender Weise deutlich.

Aber leider musste ich beim Gehfußball auch bereits dessen unfreundliche Seite kennenlernen. So gibt es beispielsweise völlig übermotivierte Mannschaften, für die nur der Erfolg zählt. Es geht um den Gewinn von Pokalen, auch wenn diese nur die Größe einer Adventskranzkerze haben. Kommen Kraft- und Konzentrationsverlust hinzu, wird versucht, dies mit übermäßiger Härte zu kompensieren. 

Natürlich gehören Wettbewerb und Emotionen zum Fußball. Dabei gibt es Verfehlungen, aber Männer im gesetzten Alter sollten sich auch ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Ausgeprägtes Meckern, häufiges gesundheitsgefährdendes Pöhlen und rücksichtslose Schauspielerei gehören nicht dazu.

Der Gehfußball wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) mit dem Siegel „Sport pro Gesundheit“ und damit als Präventionssport ausgezeichnet. Wenn ich mir nun die Zukunft des Gehfußballs vorstelle und berücksichtige, dass in stärkerem Maße die oben genannten Zielgruppen einbezogen werden sollen, dann stellt sich die Frage, wie es insgesamt weitergehen soll. Ist es beispielsweise – wie bereits diskutiert – ratsam, ein System mit mehreren Ligen, ggf. noch mit Auf- und Abstieg, einzurichten? In einzelnen Fällen mag dies vielleicht funktionieren. Aber wie sähe es bei einem durchgängigen Ligensystem aus? Wenn sportliches Miteinander auf der Strecke bliebe und rücksichtsloser Ehrgeiz in den Vordergrund rücken würde, würde der Gehfußball einiges von seinem Reiz verlieren. Dies ist kein Statement pro oder kontra. Es unterstreicht nur die Notwendigkeit sorgfältiger Diskussionen.

„Wohin der Gehfußball geht“, entscheiden einzig und allein wir.
Bernd Werdin (und der gesamte TBD ist auch seiner Meinung👍)